Von Dr. Murry Tamers, Beta Analytic Gründer und Vorsitzender
Artikel aus dem Ethanol Producer Magazine Erschienen am 1. Juni, 2006
Ethanol kann sehr leicht durch die Hydrolyse von Ethylen (bedeutende Erdölchemikalie) hergestellt werden. Zwei Millionen Tonnen Ethanol werden jährlich aus Erdöl hergestellt. Die größten Ethanol-Lieferanten sind Südafrika und Saudi Arabien, aber es gibt auch große Anlagen in den USA, Europa und Japan. Ethanol aus Erdöl (synthetisches Ethanol) wird häufig als industrielles Lösemittel eingesetzt, es gibt allerdings auch eine beträchtliche Vielfalt von anderen Anwendungen.
Die Steuererleichterungen für Ethanol in Benzin (Energy Policy Act of 2005 H.R.6) sind nur für “Bioethanol” oder “erneuerbares Ethanol” gedacht und nicht für Ethanol aus Erdöl. Für die Ausgabe dieser Steuergutschriften ist eine Zertifizierung erforderlich, die bestätigt, dass das Ethanol aus erneuerbaren Quellen stammt. ASTM Methode D6866-05 ist hierfür die wissenschaftlich anerkannte Methode, die eindeutig zwischen Materialien unterscheiden kann, die aus fossilen Kraftstoffen (Erdöl) produziert wurden und jenen, die aus Biomasse produziert wurden. ASTM D6866-05 schützt die Interessen der Investoren und Biomasseproduzenten, die in die Produktion von Bioethanol investieren. Die Analyse ist von größter Bedeutung für den Erfolg der heimischen Bioethanol-Industrie.
Bioethanol und synthetisches Ethanol sind chemisch nicht zu unterscheiden—beide bestehen aus der gleichen Verbindung, C2H5OH. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist die Isotopenzusammensetzung der Kohlenstoffatome. Synthetisches Ethanol stammt aus fossilen Rohstoffen und Bioethanol aus neuzeitlichen Materialien. Die ASTM D6866-05 Methode macht sich ein Verfahren zu Nutze, dass zur Untersuchung von Fossilien verwendet wird; es ist die Technik der Radiokohlenstoff-Datierung, bekannt für die Verwendung in der Archäologie und anderen fossilen Studien. Die Radiokohlenstoff-Datierung misst den Gehalt des natürlich vorkommenden Kohlenstoff-14 Isotops in Proben und vergleicht diesen mit dem Gehalt in neuzeitlichen Materialien.
ASTM D6866-05 verwendet die gleichen Techniken wie die Radiokohlenstoff-Datierung. Biomasse besteht aus neuzeitlichen Materialien, die Kohlenstoff-14 enthalten. Wohingegen fossile Materialien dieses Isotop nicht mehr aufweisen. Es ist über die Jahre zerfallen. Die Messung der Kohlenstoff-14 Konzentration in Ethanol wird aufzeigen, ob das Ethanol aus erneuerbaren oder fossilen Materialien produziert wurde. In manchen Fällen liegt ein Gemisch aus Bioethanol und synthetischem Ethanol vor. Hier kann ASTM D6866-05 den quantitativen Prozentanteil von Bioethanol bestimmen, sodass die entsprechende Steuergutschrift gewährt werden kann. Ebenso wäre eine ASTM D6866-05 Prüfung anwendbar auf Benzin, das unterschiedliche Konzentrationen an Bioethanol enthält. Die Prüfung würde die Menge an nachwachsenden Rohstoffen in der gesamten Flüssigkeit anzeigen. Man muss jedoch sicher sein, dass das Benzin gut gemischt ist, damit die sehr kleine Teilprobe repräsentativ für den gesamten Behälter ist. Dies ist immer ein wichtiges Anliegen, wenn es um die Prüfung von großen Mengen geht.
Die Radiokohlenstoff-Datierung wurde erstmals im Jahre 1947 entwickelt und basiert auf der kontinuierlichen Produktion eines radioaktiven Isotops, Kohlenstoff-14 oder Radiokohlenstoff, durch kosmische Strahlen in der oberen Atmosphäre. Das Isotop verbindet sich mit Sauerstoff und bildet Kohlendioxid, welches nach unten durch die Biosphäre gefiltert wird und von Pflanzen aufgenommen wird, die wiederum von Tieren gefressen werden. Kohlenstoff-14 geht durch den radioaktiven Zerfall kontinuierlich verloren, dies wird allerdings durch die kontinuierliche Produktion mittels kosmischer Strahlung ausgeglichen.
Alle Lebewesen, Pflanzen und Tiere haben die gleiche Konzentration an Kohlenstoff-14. Allerdings wird der Kohlenstoff-14 von der Atmosphäre nicht ersetzt, wenn Pflanzen oder Tiere sterben. Der Isotopengehalt in den abgestorbenen Überresten oder Fossilien nimmt allmählich ab, bis kein Radiokohlenstoff mehr vorhanden ist. Dieser Vorgang dauert ca. 50.000 Jahre. Die Radiokohlenstoff-Datierungsverfahren messen den Kohlenstoff-14 Gehalt in verschiedenen Materialien sehr genau und mit Hilfe der Kohlenstoff-Datierungsergebnisse kann man berechnen, wann die Pflanze oder das Tier gestorben ist. Dieses Datierungssystem ist ein unverzichtbares Werkzeug für Archäologie, Geologie und andere Geowissenschaften.
Die Radiokohlenstoff-Datierung ist ein Zweig der Physik und Kernchemie. Da die Menge an Kohlenstoff-14 sehr gering ist, sind die empfindlichsten Techniken für die Messung erforderlich. Derzeit werden hierfür zwei Verfahren verwendet: die radiometrische Datierung und die Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS). Die radiometrische Datierung misst die Strahlung, die bei der Zersetzung von Kohlenstoff-14 entsteht, während die Beschleuniger-Massenspektrometrie die Kohlenstoff-14 Konzentration in einer Probe misst.
Sowohl für die radiometrische Datierung, als auch für die Beschleuniger-Massenspektrometrie ist die Aufbereitung der Proben sehr wichtig. Die Vorgehensweisen für beide Techniken variieren stark, abhängig von der Art des zu messenden Materials. Die Vorgehensweisen beinhalten verschiedene physikalische und chemische Vorgänge, um eventuelle Fremdstoffe zu beseitigen. Die Vorbehandlungschritte für beide Techniken sind verschieden, allerdings beinhalten beide Techniken Prozesse unter Hochvakuum.
Für die radiometrische Messung werden die Proben in einem speziellen Vakuumsystem verbrannt, um Kohlendioxid zu erzeugen. Dieses wird dann mit geschmolzenem Lithium kombiniert, um Lithiumkarbid zu erzeugen. Nach dem Abkühlen wird das Lithiumkarbid mit Wasser zur Reaktion gebracht, um Acetylen zu erzeugen. Das Gas wird gereinigt und schließlich unter Verwendung eines Siliziumdioxid-Aluminiumoxid-Katalysators zu Benzol umgewandelt. Alle diese Verfahren werden in Glas-Vakuum-Systemen durchgeführt. Das Benzol besteht zu 92% aus Kohlenstoff, wird mit Szintillator-Chemikalien gemischt und in einen Flüssigszintillationszähler zur Strahlungsdetektion platziert. Im Durchschnitt bleibt die Probe für zwei Tage im Zähler, um genug Zählungen zu generieren, die für eine angemessene Statistik gebraucht werden. Sowohl moderne Standards, als auch Hintergrund-Materialien werden anschließend in den selben Zählern gemessen.
Proben für die Beschleuniger-Massenspektrometrie werden zu Kohlendioxid verbrannt, das dann gereinigt wird. Das Kohlendioxid wird dann mit Wasserstoff in einer speziellen Glas-Vakuum-Leitung zur Reaktion gebracht, um Graphit zu erhalten. Das Graphit besteht zu 100% aus Kohlenstoff und wird in Aluminium Target-Halter platziert und anschließend in einem Partikelbeschleuniger gemessen. Die Analyse dauert ca. 30 Minuten. Wie bei der radiometrischen Methode, werden auch hier anschließend moderne Standards und Hintergrund-Materialien gemessen.
Zusätzlich werden alle Proben auf das stabile Kohlenstoff-13 Isotop analysiert. Dies ist für die Anpassung der gemessenen Kohlenstoff-14 Werte essentiell. Die Kohlenstoff-13 Messung ist ein integraler Bestandteil der Radiokohlenstoff-Datierung. In manchen Fällen kann dies auch genutzt werden, um die Biomassequelle zu verifizieren, die für die Ethanolproduktion verwendet wurde. Kohlenstoff-13 ist nicht für die genaue Bestimmung der erneuerbaren und fossilen Anteile in Gemischen geeignet. Obwohl die Kohlenstoff-13 Konzentrationen von z.B. Erdöl und Mais verschieden sind, weisen andere Materialien aus Biomasse Kohlenstoff-13 Werte auf, die sehr variabel sind. Einige Materialien, die sich für die Produktion von Bioethanol eignen, wie Zuckerrüben, Süßkartoffeln, Trauben und andere Früchte, haben Kohlenstoff-13-Werte, die von Erdöl im Allgemeinen nicht zu unterscheiden sind. Die Kohlenstoff-13 Analysen dieser Materialien würden zu doppeldeutigen Ergebnissen führen, wenn Bioethanol etwa mit 10% oder 20% synthetischem Ethanol verdünnt würde. Auf der anderen Seite würde die Radiokohlenstoff-Analyse diese Verdünnung deutlich anzeigen.
Die Menge an chemischen und elektronischen Geräten, die für ein Radiokohlenstoff-Datierungslabor benötigt wird ist immens. Beta Analytic Inc., verfügt über 53 Flüssig-Szintillation-Zähler, Teilchenbeschleuniger mit Ionenquellen, Kohlenstoff-13 Massenspektrometer mit Elementaranalysatoren, 11 Benzol-Synthese-Vakuumleitungen, 12 Graphitisierungs-Vakuumleitungen und umfangreiche Geräte und Öfen für Vorbehandlungen und Verbrennungen.
Die wichtigen Steuergutschriften für Bioethanol in Benzin stellen eine große Versuchung für skrupellose Individuen dar, die synthetisches Ethanol (Erdöl) unterbreiten. Es wird angenommen, dass die Verdünnung von Bioethanol mit synthetischem Ethanol am häufigsten auftritt, in der Hoffnung, dass dies nicht auffallen wird. Allerdings ist ASTM D6866-05 eine quantitative Methode, die ganz klar jegliche Verdünnung anzeigen kann. ASTM D6866-05 kann auf diese Weise die Bioethanol-Industrie vor Betrug schützen. Eine ASTM D6866-05 Zertifikation sollte für jede Lieferung von Bioethanol erforderlich sein, um Steuergutschriften erhalten zu können.
Seit Mai 11, 2012, gilt ASTM D6866-12 als neuer Standard.
Beta Analytic verwendet keine Flüssig-Szintillation-Zähler mehr für ASTM D6866 Prüfungen.
Seite zuletzt aktualisiert am – 7. Januar, 2015